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„Zukunftsmanifest”, kommentiert

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Das „Zukunftsmanifest” junger Menschen, von denen ich einige kenne und schätze, halte ich leider für keinen großen Wurf. Ich kommentiere mal rasch die Zeilen, die mir gar nicht gefallen:

Ein Zukunftsrat junger Menschen soll zusätzlich als Sprachrohr der jungen Generation Impulse für die gesellschaftliche Debatte setzen.

Diese Forderung verkennt, dass nicht alle „jungen Leute” die gleichen Interessen und Hintergründe haben — ein Arbeiterkind hat andere Bedürnisse als das Kind eines Rockstars. Schichten und Klassen existieren, so zu tun, als seien wir alle gleich (rechtlich: ja, de facto: nein), ist naiv.

Die Möglichkeit zu Volksentscheiden auf Bundesebene ist genauso überfällig wie die Möglichkeit, das Entstehen von Gesetzestexten in Ministerien nachzuvollziehen und online beeinflussen zu können.

Auch hier: Es klingt durch, als seien Gesetzestexte durch einen dummen Zufall mitunter nicht so, wie „wir” uns das vorstellen. So ist es aber nicht. Mehrheiten in Parlamenten existieren, entsprechend müssen Gesetze dann diese auch abbilden. Das ist der Kern unserer repräsentativen Demokratie.

Wir wollen mehr Einfluss bei den Steuermitteln: Jeder sollte mit der jährlichen Steuererklärung angeben können, in welches Ressort sie oder er einen kleinen Prozentsatz der Einkommensteuer investieren will.

Das ist mit einem Wort zu kommentieren: neoliberal. Wie Steuermittel verwendet werden, entscheiden gewählte Parlamente — niemand sonst. Alles andere ist eine Form des Charity.

Wir erben einen gigantischen Schuldenberg und investieren bald jeden vierten Euro in die Finanzierung der Zinsen. Dieser Trend muss aufgehalten werden! Wir müssen fragwürdige Steuerfluchtmöglichkeiten konsequent abbauen, Steuerbetrug härter ahnden und eine Finanztransaktionssteuer einführen. Durch kluges Sparen an den richtigen Stellen werden Mittel frei für Kinderbetreuung, Bildung und den demografiefesten Umbau der Infrastruktur. Auf europäischer Ebene bedarf es Schritte, um die Haushalte zu konsolidieren und dafür zu sorgen, dass Banken nicht mehr nach dem Prinzip »too big to fail« mit Steuergeld gerettet werden müssen.

Nicht „wir” müssen den Schuldenberg finanzieren — sondern einige müssen ihn finanzieren und andere profitieren davon. Hier muss ergo genau betrachtet werden, wer von den Schulden profitiert. Zudem drücken sich die AutorInnen konsequent um die entscheidende Frage: nämlich WO gespart werden soll. Es gibt keine „richtigen” Stellen, an denen gespart werden kann — sondern verschiedene Menschen haben unterschiedliche Wertvorstellungen und Interessen. So ist es eine platte Aussage, die niemandem hilft, sondern die altklug klingt und überall stehen könnte. Dass es niemand geil findet, dass Banken gerettet wurden — hey. Das ist banal.

Wir fordern eine nachhaltige Lebensweise. Das Staatsziel Umweltschutz im Artikel 20a des Grundgesetzes muss verschärft werden, um zu verhindern, dass der Umweltschutz zum Leidtragenden politischer und wirtschaftlicher Konkurrenzkämpfe wird.

Ah. Und die ArbeitnehmerInnen in den Industriebetrieben leben dann künftig von Luft und Liebe, ja? Funfact: Noch nie zuvor war die Umwelt in Deutschland so sauber und intakt wie heute.

Und: In einer europäisierten und globalisierten Welt haben 16 Schulsysteme nur noch wenig Sinn. Die Länder müssen Kompetenzen in der Bildungspolitik an den Bund abgeben.

Hier fehlt es an Logik. Was haben die 16 Schulsysteme mit der globalisierten Welt zu tun? Genau: gar nichts. (Im Gegenteil, in Wahrheit wäre es gut, die Schulen bekämen noch viel mehr Freiheiten und müssten nicht mehr die Order einer verkrusteten Kultusbürokratie exekutieren. Die Bürokratie eine Ebene höher zu ziehen wäre insofern von massivem Nachteil.)

Alle Menschen haben ein Recht auf Chancengleichheit. Kinder dürfen keinen finanziellen Ruin oder das Ende der Karriere bedeuten. Das Ehegattensplitting ist Geschichte! Unterstützt Familien mit Kindern und erkennt die Verantwortung der Wirtschaft. Kitas statt Boni: Große Unternehmen müssen gesetzlich verpflichtet werden, eine Kinderbetreuung einzurichten.

Ich finde Betriebskindergärten okay. Aber der Staat kann sich nicht darauf verlassen, dass Unternehmen Kita-Plätze schaffen. Das ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, Betriebskindergärten können da maximal ergänzend sein.

Alle Generationen müssen zusammen und nicht gegeneinander arbeiten.

Auch hier: Der Glaube, es ginge um Generationen, die gegeneinander arbeiten und uns allen ginge es besser, sie würden zusammen arbeiten, ist völliger Unfug. Es geht um oben und unten — diese Tatsache zu verkennen heißt, an der Analyse zu scheitern. Und wenn die Analyse falsch ist, können die Forderungen nur durch Zufall sinnstiftend sein. Meistens sind es sie nicht, sondern spielen denen in die Hände, die heute schon Einfluss haben.

Zusammenfassend: Ein Dokument ohne rote Linie und vielen Worthülsen. Alles in allem liest es sich so, als sei jedeR AutorIn für einen Absatz verantwortlich gewesen und die anderen hätten diese dann trotzdem abgesegnet — worin da der Sinn liegen soll, verstehe ich nicht.

(Bleibt noch die Frage, warum das Dokument nicht gegendert ist und seit wann Linkspartei-Funktionäre nicht mehr ideologisch geschult werden.)


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